Das Verbraucherschutzmagazin Öko-Test (Juli 2016) hat 17 Mittel gegen Warzen untersucht, die ohne Rezept in Apotheken oder Drogeriemärkten erhältlich sind. Nachfolgend finden Sie eine Zusammenfassung dieses Berichts mit Anmerkungen zu pflanzlichen Warzenmitteln und zur Warzentherapie nach Huckleberry Finn.
Alle von Öko-Test untersuchten Warzenmittel bekämpfen lediglich Symptome, nicht aber die Ursache der Hautläsionen – humane Papillomaviren.
Die Gesamtnote „gut“ ging ausschließlich an Salicylsäure-haltige Mittel aus der Apotheke, weil für diese Substanz die Wirksamkeit am besten durch Studien belegt ist, begründet Öko-Test das Urteil.
Ameisensäure, Monochloressigsäure und Vereisung erklärt der Oeko-Test-Experte zu Mitteln zweiter Wahl. Die Datenlage sei schlechter als bei Salicylsäure, lautet die Begründung. Die entsprechenden Präparate wurden mit der Note „befriedigend“ bewertet.
Flüssiger Stickstoff, wie er in Hautarztpraxen zur Warzenvereisung eingesetzt wird, solle nach Ansicht des Oeko-Test-Experten bevorzugt werden. Er ist wesentlich kälter als die Präparate für die Selbstmedikation und daher potenziell wirksamer.
Beim Umgang mit Monochlor-und Trichloressigsäure ist große Vorsicht geboten, da sie deutlich stärker hautreizend sind als Salicylsäure.
Von chirurgischen Eingriffen rät der Öko-Test-Experte ab, da sie tiefe offene Wunden hinterlassen können.
Oeko-Test weist darauf hin, dass die meisten Hautwarzen ungefährlich sind und nicht zwingend behandelt werden müssen. In aller Regel heilen sie irgendwann von selber ab, was allerdings Wochen, Monate, aber auch Jahre dauern könne.
Öko-Test orientiert sich bei der Beurteilung an wissenschaftlichen Kriterien, zeigt sich gegenüber alternativen Hausmitteln wie Schöllkraut, Schneckenschleim, Zwiebeln, Zitronensaft, Bananenschalen oder Eigenurin jedoch aufgeschlossen, solange Nebenwirkungen wie Hautreizungen beachtet werden. Was hilft, habe seine Berechtigung, heißt es. So verschwinden Warzen oft von selbst und zudem könne Autosuggestion wie beim Besprechen möglicherweise das Immunsystem stärken und so helfen. Man müsse nur fest genug daran glauben, so wie Huckleberry Finn in Mark Twains Roman „Tom Sawyers Abenteuer“:
„Na, du nimmst deine Katze und gehst auf ’nen Friedhof, kurz vor Mitternacht, dahin, wo jemand, der ’n schlechter Mensch gewesen ist, begraben liegt, und wenn’s Mitternacht ist, kommt ’n Teufel oder vielleicht auch zwei oder drei (…), und wenn sie den Kerl wegholen, schmeißte deine Katze hinterher und sagst: ‚Teufel folg Leiche, Katze folg Teufel, Warzen folg Katze, ich bin euch los!‘ Das bringt dir jede Warze weg.“
Die Verbraucherschützer raten Huckleberry Finn allerdings, es besser ohne tote Katze zu versuchen.
Quelle:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/06/30/was-hilft-gegen-warzen/chapter:1
Kommentar & Ergänzung:
Salicylsäure wirkt keratolytisch (hornhautauflösend) und wird auch in der Fachliteratur als Mittel der ersten Wahl empfohlen.
Da Warzen selbstlimitierend sind – irgendwann also von alleine verschwinden – ist die Beurteilung von Behandlungserfolgen im Einzelfall schwierig. Verschwindet eine Warze im Verlaufe einer Behandlung, weiss man nie mit Sicherheit, ob sie wegen der Behandlung verschwunden ist, oder weil einfach der natürliche Zeitpunkt ihres Verschwindens gerade erreicht war.
Eindrücklich ist zudem, wie stark Warzen oft über Suggestion beeinflussbar sind. Das zeigen alle diese überlieferten Rituale mit Besprechen, schwarzen Katzen etc., aber auch die unübersehbare Zahl verschiedenster Hausmittel, die offenbar nicht selten Erfolg haben.
In der traditionellen Pflanzenheilkunde hat Schöllkrautsaft einen Ruf als Warzenmittel: Zweimal täglich den gelb-orangen Saft aus Blatt oder Stängel frisch auftragen und eintrocknen lassen.
Klinische Untersuchungen, die eine solche Wirkung überprüft hätten, gibt es keine. Das ist nicht weiter erstaunlich. Wer würde schon Geld investieren in die Forschung für ein pflanzliches Warzenmittel, das an jeder Ecke wächst, und das sich daher kaum patentieren und kommerzialisieren lässt.
Immerhin wurden die Wirkstoffe im Schöllkraut untersucht. Es handelt sich dabei vor allem um Alkaloide, bei denen mögliche Erklärungen für eine Wirksamkeit gegen Warzen gefunden wurden. Dazu ein paar Zitate aus der Phytotherapie-Fachliteratur:
„Die quartären Alkaloide, wie Sanguinarin, Chelerythrin und Berberin, reagieren mit nukleophilen bzw. anionischen Gruppen von Eiweissen sowie Nukleinsäuren, hemmen dadurch zahlreiche Enzyme und durch Interkalation in die DNA auch die Zellteilung. Sie sind antimikrobiell und zytostatisch wirksam…Ihre zytostatische Wirkung wird möglicherweise bei der in der Volksmedizin übichen lokalen Anwendung des frischen Milchsafts zur Behandlung von Warzen ausgenutzt.“
Quelle: Teuscher / Melzig / Lindequist, Biogene Arzneimittel, 2012
„Äusserlich werden heute noch einige Tropfen des aus der Pflanze gepressten Milchsaftes auf Warzen aufgetragen. Das Wirkprinzip ist unklar; zytostatisch effektive Alkaloide oder Proteasen werden diskutiert.“
Quelle: Dingermann / Hiller / Schneider / Zündorf, Arzneidrogen, 2004
„Die Alkaloide sind viruzid….Berberin und Sanguinarin sind starke DNA-interkalierende Substanzen und wirken deshalb cytotoxisch, antimikrobiell und antiviral.“
Quelle: Van Wyk / Wink / Wink, Handbuch der Arzneipflanzen, 2015
Zusammengefasst: Alkaloide aus Schöllkraut wirken gegen Viren, hemmen die Zellteilung und spalten Eiweisse. Das sind Erklärungen für eine mögliche Wirksamkeit gegen Warzen. Allerdings muss dabei eingeschränkt werden, dass diese Aussagen auf Experimenten im Labor basieren. Wenn in einer Pflanze Inhaltstoffe vorhanden sind, die im Labor gewisse Effekte zeigen, kann man daraus noch nicht schliessen, dass solche Effekte auch im lebenden Organismus gegen bestimmte Erkrankungen wirksam wird – zum Beispiel gegen Warzen.
Es bleibt also bei sorgfältiger Interpretation noch offen, ob das immer wieder beobachtete Verschwinden von Warzen während einer Schöllkrautsaftkur durch Inhaltstoffe verursacht wurde, durch den natürlichen Verlauf oder durch suggestive Einflüsse. Bei letzterem könnte man sagen, dass Schöllkrautsaft nicht ein Wirkstoffträger ist, sondern ein Bedeutungsträger.
Noch schwieriger als Schöllkraut sind die anderen erwähnten Warzenmittel Schneckenschleim, Zwiebeln, Zitronensaft, Bananenschalen oder Eigenurin:
Schneckenschleim soll antibakteriell wirken. Schnecken schützen sich damit gegen bakterielle Infektionen. Das erklärt keine Wirkung gegen Warzenviren.
Auch Zwiebel wirkt antibakteriell. Traditionell legt man rohe, gesalzene Zwiebelscheiben auf die Warzen auf – erklärt aber auch keine Wirkung gegen Warzenviren. Hautreizende Wirkung mit Durchblutungssteigerung und Verbesserung der Abwehrlage? Alles Spekulation.
Zitronensaft? Keine einleuchtende Erklärung.
Bananenschale? Man soll die Innenseite einer Bananenschale zuschneiden, auf die Warze auflegen und mit einem Heftpflaster befestigen. Das ist eine interessante Idee. Eine plausible Erklärung dafür habe ich aber bisher noch keine gehört.
Eigenurin? Nicht nachvollziehbar – und das Phänomen, dass Eigenurin völlig unkritisch zur Behandlung von unzähligen Krankheiten empfohlen wird, macht die Sache erst recht nicht glaubwürdig. Siehe dazu:
Komplementärmedizin: Indikationslyrik unter der Lupe
Also wenn Sie mich fragen: Trotz fehlender Belege – Schöllkraut ist doch einen Versuch wert. Kostenlos, verfügbar, interessantes Ritual.
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
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Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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